Hashimoto-Thyreoiditis

(Lymphozytäre Thyreoiditis, chronische Immunthyreoiditis, Autoimmunthyreoiditis)

Allgemeines

Die Hashimoto-Thyreoiditis gehört zu den Autoimmunerkrankungen. Autoimmunerkrankungen sind Krankheiten, bei denen das eigene Immunsystem irrtümlicherweise körpereigenes Gewebe angreift. Bei der Autoimmunthyreoiditis greift das Immunsystem die Schilddrüse an. Die Krankheit wurde nach dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto benannt. Die Erstbeschreibung erfolgte übrigens 1912 in einer deutschen medizinischen Zeitschrift. Herr Hashimoto hatte beobachtet, dass Patienten trotz einer vergrößerten Schilddrüse an Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion litten. Genau genommen hatte Herr Hashimoto damit nur einen Teil der Erkrankung entdeckt, die nach ihm benannt wurde – die hypertrophe Verlaufsform. Der weitaus größere Anteil der Patienten weist die atrophe Verlaufsform der Schilddrüsenautoimmunerkrankung auf, bei der die Schilddrüse infolge der Erkrankung schrumpft. Diese Verlaufsform wurde bereits 1878 von William Miller Ord beschrieben.

Beiden Verlaufsformen ist gemein, dass Lymphozyten in das Schilddrüsengewebe einwandern und die Schilddrüse in einer chronischen Entzündung zerstören. Darüber hinaus ist eine Antikörperbildung gegen schilddrüsenspezifische Antigene nachweisbar.

Eine Schilddrüsenautoimmunerkrankung vom Typ Hashimoto kann mit einer passageren (vorübergehenden) Hyperthyreose (scheinbare Überfunktion) beginnen. Üblicherweise mündet sie über kurz oder lang in eine Schilddrüsenunterfunktion.

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Autoimmunerkrankung des Menschen und die häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion. Es ist davon auszugehen, dass mehr als ein Zehntel der Bevölkerung Deutschlands erkrankt ist bei steigender Tendenz.

Ursachen

Die Ursachen, die zu einer Hashimoto-Thyreoiditis-Erkrankung führen, sind nicht vollständig geklärt. Allerdings ist eine familiäre Häufung zu beobachten, was den Schluss nahelegt, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Außerdem ist zu beobachten, dass die Erkrankungshäufigkeit mit der Zunahme der Jodversorgung der Bevölkerung steigt. Vermutlich handelt es sich aber auch um eine Zivilisationserkrankung, die ihre Ursache in unserer Lebensweise in einer modernen Industrienation hat. Diskutiert werden auch Stress, Umweltgifte und Nikotinabusus. Absolut unterschätzt wird in der Literatur üblicherweise der Einfluss anderer Hormone. Insbesondere gynäkologische Hormone und deren Schwankung im Rahmen des weiblichen Zyklus sowie hormonelle Umstellungen in der Pubertät, aber auch in den Wechseljahren dürften dafür verantwortlich sein, dass Frauen um ein Vielfaches häufiger von Schilddrüsenautoimmunerkrankungen betroffen sind als Männer.

Symptome

Grundsätzlich sind zwei Gruppen von Symptomen zu unterscheiden: Zum einen liegen Symptome der eigentlichen Autoimmunreaktion vor. Hier handelt es sich üblicherweise um Lokalbeschwerden, in selteneren Fällen um Allgemeinbeschwerden bis hin zu neurologischen Problemen im Rahmen einer Hashimoto-Enzephalopathie. 

Die andere Gruppe der Symptome sind Allgemeinbeschwerden im Zusammenhang mit der Schilddrüsenfunktionsstörung. Anfangs können Symptome einer vorübergehenden Hyperthyreose vorliegen, später herrschen die Symptome der Schilddrüsenunterfunktion vor. Anders, als in der Literatur üblicherweise beschrieben, ist dabei zu beachten, dass Symptome einer latenten Unter- und Überfunktion (Hypothyreose und Hyperthyreose) recht unspezifisch sind und manchmal klinisch keinen eindeutigen Rückschluss darauf zulassen, ob es sich um eine grenzwertige Hypothyreose oder grenzwertige Hyperthyreose handelt.

Eine (in der Regel leichte) Hyperthyreose zu Beginn der Erkrankung ist keine Überfunktion im eigentlichen Sinne, sondern wird durch eine Schilddrüsenhormonfreisetzung im akuten Entzündungsschub aus den zerstörten Schilddrüsenfollikeln hervorgerufen.

Typische Symptome durch die Autoimmunreaktion sind:

     

  • Lokalbeschwerden wie Kloßgefühl, Kratzen, Räuspern und Druck am Hals
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  • Veränderungen der Stimme bis hin zu Heiserkeit (Daher suchen Patienten häufig zuerst den Hals-Nasen-Ohren-Arzt auf.)

Symptome der Schilddrüsenfunktionsstörung sind dagegen:

     

  • Müdigkeit
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  • Antriebslosigkeit
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  • muskuläre Schwäche
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  • innere Unruhe
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  • Reizbarkeit
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  • depressive Stimmungslagen
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  • Stimmungsschwankungen
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  • Konzentrationsstörungen
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  • Gedächtnisstörungen
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  • Herzrhythmusstörungen, Herzrasen
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  • inadäquate Herzfrequenz bei Belastungen
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  • Temperaturmissempfinden
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  • trockene Haut
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  • brüchige Fingernägel
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  • Haarausfall
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  • Zyklusunregelmäßigkeiten
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  • unerfüllter Kinderwunsch
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  • Abort/Fehlgeburt
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  • verringerte Libido
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Die Ausprägung der Symptome kann sehr stark differieren. Sie ist nicht abhängig von der Stärke der Unterfunktion.

Der in der Literatur häufig verwendete Begriff einer subklinischen Hypothyreose beim Vorliegen einer grenzwertigen Unterfunktion ist grundsätzlich abzulehnen, da hier üblicherweise bereits eine Reihe von Symptomen vorliegt. Besser wird in diesem Zusammenhang der Begriff einer latenten Hypothyreose verwendet.

Diagnose

Labor

Meist fällt die Erkrankung durch typische Laborveränderungen auf. In der Regel stellt der Hausarzt eine Schilddrüsenunterfunktion fest. Bei der weiteren Abklärung finden sich dann erhöhte Schilddrüsenautoantikörper. Diagnostisch relevant sind Anti-TPO (Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase) sowie Anti-TG (Antikörper gegen Thyreoglobulin).

Sonografie/Ultraschall

Die Schilddrüse weist ein breites Spektrum von Veränderungen in der Sonografie (Ultraschalluntersuchung) auf. Dies können narbige Veränderungen sein, kleinzystische Veränderungen, ein kleines athrophiertes Organ, ein großes geschwollenes Organ, kleinfleckige Veränderungen bis hin zu einer echoarmen (im Ultraschall schwarzen) Schilddrüse. Oft stellt sich die Schilddrüse inhomogen, aber auch knotig verändert mit einer Epithelhyperplasie dar. Manchmal findet sich allerdings auch ein scheinbar unauffälliges echonormales Organ in der Sonografie.

Bei laborchemischem Nachweis einer Schilddrüsenautoimmunerkrankung sollte immer eine Bildgebung erfolgen, da das Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken, signifikant erhöht ist. Auch treten im Zusammenhang mit Schilddrüsenautoimmunerkrankungen häufiger maligne Lymphome (Lymphdrüsenkrebs) auf.

Schilddrüsenszintigraphie

Beim Nachweis von Knoten in der Schilddrüse sollte eine Schilddrüsenszintigraphie zur weiteren Abklärung erfolgen. In der Szintigraphie weist die Schilddrüse in verschiedenen Stadien der Erkrankung einen unterschiedlichen Technetium-Uptake auf. Im Rahmen einer Hashitoxikose (Hyperthyreose zu Beginn der Erkrankung) findet sich häufig ein erniedrigter Technetium-Uptake. Im Stadium der Kompensation, d.h. bei bereits leicht geschädigtem Schilddrüsengewebe aber noch euthyreoter Stoffwechsellage bis grenzwertiger Schilddrüsenunterfunktion, liegt häufig ein leicht erhöhter Technetium-Uptake vor. Im späten Stadium der Erkrankung zeigt sich regelmäßig eine reduzierte Technetium-Aufnahme in die Schilddrüse. 

Feinnadelpunktion

Die Feinnadelpunktion zur Gewinnung von Gewebe zur feingeweblichen mikroskopischen Untersuchung spielt eher eine untergeordnete Rolle.

Behandlung

Die Autoimmunthyreoiditis als Autoimmunerkrankung ist nicht ursächlich behandelbar. Im Vordergrund der Behandlung der Schilddrüsenerkrankung steht der Ausgleich der Schilddrüsenunterfunktion durch Substitution mit Schilddrüsenhormonen. Jodhaltige Präparate kommen nicht zur Anwendung. Da das Voranschreiten der Schilddrüsenautoimmunerkrankung nicht aufgehalten werden kann, steigt der Substitutionsbedarf im Laufe der Zeit weiter an. Daher müssen regelmäßige Laborkontrollen zur Anpassung der Schilddrüsenhormondosis erfolgen. Bei Vorliegen von Lokalbeschwerden im Hals oder bei starker Schwankung der Aktivität der Schilddrüsenautoimmunerkrankung kann eine Medikation mit Selen erfolgen. Andere Therapien sind durch Studien bislang nicht hinreichend belegt.

Komplikationen, Prognose und andere Autoimmunerkrankungen

Bei regelmäßiger Kontrolle der Laborwerte sowie Bildgebung ist die Lebenserwartung der Patienten mit einer Hashimoto-Thyreoiditis normalerweise nicht eingeschränkt. Allerdings ist das Risiko, an einem bösartigen Schilddrüsentumor zu erkranken, erhöht. Ebenfalls erhöht ist das Risiko für Lymphdrüsenkrebs. Daher sollten Patienten mit einer Autoimmunthyreoiditis auch bei bislang unauffälligem sonographischen Verlauf einmal jährlich die Schilddrüse mit Ultraschall untersuchen lassen. Bei vorbekannten Knoten der Schilddrüse ist die regelmäßige bildgebende Kontrolle umso wichtiger. 

Eine Schilddrüsenautoimmunerkrankung tritt häufig neben anderen Immunerkrankungen auf. Patienten mit Allergien haben ein höheres Risiko, eine Schilddrüsenautoimmunerkrankung zu entwickeln. Die Hashimoto-Thyreoiditis tritt besonders häufig neben einer Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) oder einem Typ I Diabetes (jugendlicher Diabetes) auf. Häufig wird bei Patienten mit einer Hashimoto-Thyreoiditis eine Autoimmungastritis beobachtet. Auch kommt es zu Häufungen von Schilddrüsenautoimmunerkrankungen und Glutenunverträglichkeit.